Textbook
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Variationskoeffizient
Der Zweck des Variationskoeffizienten ist der Vergleich von Varianzen
aus verschiedenen Meßvorgängen in ähnlichem Sinne, in dem wir
Mittelwerte verschiedener Tests mit Standard-z-Werten vergleichbar
gemacht haben.
Auch der Vergleich verschiedener Stichproben wird durch die Verteilungsparameter
möglich. Man kann z.B. feststellen, ob sich aufgrund verschiedener
Einflüsse in zwei Gruppen die mittleren Werte unterschiedlich
verschieben oder die Streuungen sich verändern. Ein Vergleich
ist immer dann relativ problemlos, wenn man zwei Stichproben mit
dem gleichen Meßinstrument (z.B. Intelligenztest mit einer IQ-Messkala)
untersucht hat.
Dagegen gibt es Vergleiche, die nicht mehr naiv durchgeführt werden
dürfen: So kann es z.B. vorkommen, daß ein Lehrer wissen will,
ob die Schulleistungen in seiner Klasse breiter streuen (also
mehr variieren und eine größere Varianz haben) als die Intelligenztestwerte.
Damit hätte er ein Indiz für andere schulleistungsbeeinflussende
Größen außer der Intelligenz gefunden.
Es kann auch sein, daß ein Forscher einen gut differenzierenden
Angstfragebogen für eine genaue Untersuchung des Bereichs Angst/Unsicherheit
benötigt. Er will deshalb zwei - ansonsten gleich gute - Angstfragebögen
daraufhin miteinander vergleichen, welcher von beiden größere
Varianz besitzt, d.h. womit die Vpn wahrscheinlich deutlicher
voneinander zu trennen sind.
Naive Statistiker würden in beiden Fällen einfach die Varianzen
(für jeden Test getrennt) berechnen und dann miteinander vergleichen.
Allerdings wird dabei außer Acht gelassen, daß die Varianz unmittelbar
von der Art des Meßvorgangs, also vom gewählten Maßstab abhängig
ist. Es wird sofort klar, daß mit einer IQ-Skala mit einem Mittelwert
von 100, die grundsätzlich von nahe Null bis unendlich reichen
kann, ganz andere Varianzen berechnet werden können, als bei einer
Schuleistungsskala, in der Pbn zwischen 0 und 15 Punkte erreichen
können.
Es gibt nun einen Kennwert, bei dem der Einfluß des Mittelwertes
auf die Varianz eliminiert werden kann, nämlich den Variations-
(bzw. Variabilitäts-) Koeffizienten V.
Er wird berechnet als
Dabei geht man von der Annahme aus, daß die Variation von Daten
proportional zum Mittelwert ansteigt, daß also Standardabweichungen/Varianzen
quasi automatisch um so größer werden (können), je höher die durchschnittlichen
Meßwerte liegen.
V stellt also die Standardabweichung als prozentualen Anteil des
Mittelwertes dar. Eine solche Verhältnisbildung ist selbstverständlich
nur dann sinnvoll, wenn der Mittelwert nicht eine beliebig verschiebbare
Einheit darstellt, d.h., wenn die Skala einen quasi natürlichen
Ausgangspunkt (= Nullpunkt), also Verhältnisskalenniveau hat.
Für die meisten - eher willkürlich skalierten - psychologischen
Intervallskalen ist diese Bedingung nicht erfüllt.
An einem Beispiel (s. CLAUSS/ EBNER, 1970, S. 89) soll der Variabilitätskoeffizient
verdeutlicht werden.
Es wurden 100 Vpn in 10 Versuchen an einem Reaktionsprüfgerät
trainiert. Es war zu erwarten, daß die Reaktionen sich (im Mittel)
durch das Training verbessern. Weiter erwarteten die Untersucher
eine Abnahme der Varianz durch das Training, also eine Abnahme
der Leistungsschwankungen.
Es ergaben sich folgende Ergebnisse:
Reihe |
Mittelwert  |
Standard-abweichung  |
1.Versuch
|
13,85 |
4,75 |
5.Versuch
|
22,60 |
4,65 |
10.Versuch |
24,50 |
3,90 |
Man kann vom ersten bis zehnten Versuch eine leichte Abnahme der
Standardabweichung feststellen. Gleichzeitig ist nun aber der
Mittelwert angestiegen; es empfiehlt sich also, für einen Streuungsvergleich
die Variabilitätskoeffizienten zu berechnen:
|
Variabilitätskoeffizient |
1. Versuch |
|
5. Versuch |
|
10. Versuch |
|
Wir müssen feststellen, daß - gemessen an dem Mittelwertsanstieg
- die Streuung realiter deutlich abgenommen hat: Im ersten Versuch
beträgt die Streuung (hier gleich Variabilitätskoeffizient) noch
34% des Mittelwertes, im letzten Versuch ist sie auf 16% gefallen.
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