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Hierarchie der Skalenniveaus
Es soll an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden, wie
entschieden werden kann, ob eine Skala mit mathematischer Strenge
eine Nominal-, Ordinal- oder Intervallskala ist.
In den Erfahrungswissenschaften, also auch in der Psychologie,
erfolgt die Bestimmung des Skalenniveaus durch Plausibilitätsschluß
und Konsensus der Wissenschaftler.
Man muß sich zunächst darüber klar sein, daß die Skalenniveaus
hierarchisch angeordnet sind, d.h. jede Ordinalskala läßt alle
Aussagen zu, die über eine Nominalskala möglich sind, ebenso wie
eine Intervallskala die Eigenschaften einer Ordinal- und Nominalskala
impliziert.
Bedenkt man weiterhin, daß jede Skala mindestens eine Nominalskala
ist (ein Merkmal variiert, kommt in verschiedenen Ausprägungen
vor), so ist zunächst zu entscheiden, ob die nominalen Kategorien
dieser Skala in einer Rangfolge angeordnet werden können. Dies
ist fast in allen Fällen ohne große Probleme und mit hohem Konsensus
entscheidbar.
Problematisch ist die Entscheidung, ob die Meßwerte intervallskaliert
sind, d.h. ob der numerische Unterschied die durch die repräsentierten
Variablenwerte gegebenen Unterschiede auch wirklich wiedergibt.
Betrachten wir ein recht einfaches und - gerade wegen seines häufigen
Mißbrauchs - illustratives Beispiel:
Schulzensuren, d.h. die Skala 1 2 3 4 5 6, werden praktisch wie
eine Intervallskala behandelt, denn sie werden addiert, z.B. zur
Ermittlung einer Durchschnittszensur. Dabei ist aber keineswegs
sicher und es kann aller Erfahrung nach häufig bestritten werden,
daß der Unterschied zwischen 3 und 4 wirklich gleich dem Leistungsunterschied
zwischen 4 und 5 ist.
Wahrscheinlich ist die Skala Schulzensuren eben nicht gleichabständig,
also nicht intervallskalliert. Man wird sich also darauf beschränken
müssen, sie als eine Ordinalskala anzusehen.
Sicher kann man nur von physikalischen Skalen (Länge, Zeit, Gewicht
und deren Ableitungen) sagen, daß es Intervallskalen sind. Der
Nachweis der Intervallskaliertheit ist für psychologische Variablen
nur in ganz seltenen Ausnahmen möglich.
Dennoch wird in der Forschung sehr häufig von gleichabständigen
Meßwerten, also von Intervallskalen ausgegangen. Dies hat folgende
Gründe:
Erstens verlangen die meisten der uns zur Verfügung stehenden
statistischen Verfahren eine Addition der Meßwerte, was aber nur
für intervallskalierte Daten sinnvoll ist.
Zweitens ist es nicht unplausibel, anzunehmen, daß die Welt der
meisten Menschen regelmäßig organisiert ist, derart, daß der in
der Mitte liegende Skalenwert für sie in der Tat eine mittlere
Ausprägung des zu messenden Merkmals repräsentiert.
Man nimmt also an, daß ein Merkmal durch die Versuchspersonen,
die als Merkmalsträger fungieren, auf numerische, gleichabständige
Skalenintervalle auch gleichabständig übertragen wird. Dies gilt
besonders für die Maße psychologischer Daten, die auf Fragebögen
mit mehrstufigen Antwortskalen beruhen.
Wir gehen daher in der psychologischen Forschung im allgemeinen
davon aus, eine Skala als gleichabständig anzunehmen, solange
diese Annahme nicht unplausibel erscheint. Genau dies ist aber
bei Schulzensuren, in die ja immer auch pädagogische Intentionen
eingehen, der Fall. So unterscheidet sich der Sprung zwischen
4 und 5 von dem Unterschied zwischen 3 und 4 einerseits grundsätzlich
und andererseits von Fall zu Fall, nämlich von Lehrer zu Lehrer
oder von Schüler zu Schüler oder sogar von Fach zu Fach.
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